Wenn heute der Lehrer mit seiner Klasse, der Pastor mit seinen Konfirmanden die Kirche in Heiligenloh besichtigt, stehen die Kinder genau wie früher immer noch ein bisschen erschauernd vor einem Loch oben im Turmgewölbe, und das ist eben so alt wie die Kirche selbst.
Als nämlich vor gut 700 Jahren die Menschen hier den Plan gefasst hatten, für ihren Glauben im Dorf ein Haus zu bauen, war gleich ein Neider da: Dem war ein Gott der Liebe unheimlich, und Menschen, die an einen solchen glaubten, passten überhaupt nicht in sein Konzept, die Welt zu beherrschen. Vom ersten Spatenstich an belästigte er die Maurer, um den Bau der Kirche zu verhindern.
Einmal zerbrach er mit rohem Tritt die Sprossen einer Leiter, dann kippte er Kübel mit frisch angesetztem Kitt um; und als die Leute eines Morgens zur Baustelle kamen, hatte er während der Nacht, vermutlich mit seinem dicken Schädel, eine ganze Mauer eingerannt. Überzeugt von ihrem rechten Glauben und mit dem Mut derer, die sich von einem guten Plan nicht abbringen lassen, beschlossen die Menschen, sich zur Wehr zu setzen und sich ihren bösartigen Widersacher zu schnappen, und zwar dann, wenn er sein hinterhältiges Spiel trieb: In der Dunkelheit.
Sie versteckten sich zur rechten Zeit, und als es Mitternacht geworden war, erschien er in seiner wohlbekannten Gestalt, und sie hatten wetten mögen, einen eisenbeschlagenen Pferdefuß über sich im Turm verschwinden gesehen zu haben. Ein kurzer Blick, ein aufmunterndes Kopfnicken, und schon stießen sie nach! Sie erwischten ihn oben im Gewölbe, packten zu und zwangen ihn in gemeinsamer Anstrengung so lange, bis eine Wand aufgerichtet war, die ihn wie in einem Kerker gefangen hielt. Jetzt endlich konnten sie in Frieden ihr Werk vollenden.
Ganz losgeworden waren die Menschen den Bösen allerdings immer noch nicht. Er steckte ja in der Mauer, und als bei dem Einweihungsgottesdienst der Pastor den Segen sprach, donnerte und krachte es plötzlich oben bei den Glocken! Die Sprache unten in der Kirche ertrug er nicht: Mit Gewalt sprengte er sein Gefängnis und verschwand in einer übel riechenden Wolke, die Spuren seines Ausbruchs der Nachwelt hinterlassend.
Quelle: Stadt Twistringen – Eine Heimatkunde; Auszug aus den Heimatsagen, verfasst von Bernhard Fies, Bückeburg (vormals Heiligenloh)
Hinter der Heiligenloher Grundschule fällt das Gelände zur Beeke hin deutlich ab. Die Fläche wird heute landwirtschaftlich genutzt, der Ertrag ist aber nicht unbedingt überwältigend. Die Gegend heißt "Der Fang", und der Name erinnert an eine Zeit, in der die Natur die Menschen anscheinend reicher beschenken mochte.
Das haben vielleicht jene Mönche gespürt, die auf ihrer Wanderung durch dichte, unberührte Wälder hier angehalten haben sollen, ein Kloster bauten und ernteten, was Bach und dann auch Acker in Hülle und Fülle hergaben.
"Wir finden alles, was wir fürs Leben brauchen. Hier wird uns alles geschenkt, was uns Kraft gibt, unsere Pflicht zu tun. Lasst uns als Zeichen unserer Dankbarkeit von jedem Fischfang den schwersten Hecht wieder zurück in die Beeke tauchen!" Dieser Vorschlag des Abtes fand sofort ungeteilte Zustimmung, und die Bruderrunde machte daraus einen alle verpflichtenden heiligen Brauch.
Ein solches Leben ohne Sorge um die tägliche Nahrung veränderte die Mönche langsam aber sicher, so dass es kaum Überredungskünste bedurfte, als ein neuer Abt so ganz beiläufig meinte: "Wir beten und arbeiten, die Natur deckt uns einen reichen Tisch, und das Beste vom Besten gönnen wir uns so einfach selber nicht ...". Heiligen Brauch ließ man heiligen Brauch sein, das Wort des Vorstehers machte das Gewissen ruhig. Man stellte Hacke und Spaten in die Ecke, und dann ging es richtig los: Gefangen und gebraten, gebimmelt, an die Tische und gegessen, getrunken und gesungen heidi heido!
Sie mögen es bei ihrem mittäglichen Prassen noch nicht einmal bemerkt haben, als an einem Julitag zur Erntezeit die Sonne unerträglich heiß zu glühen begann, eine unheimlich schwarze Wolke über das Kloster kroch, der Himmel plötzlich in einem die Ohren betäubenden Schlag auseinanderbrach, der bis dahin Segen spendende Regen in gewaltigen Güssen die Beeke zum Ungeheuer anschwellen, den fruchtbaren Acker aufschwemmen und in wenigen Augenblicken Mauern und Mönche im Schlamm versaufen ließ. Noch die Generation vor uns sah in den Nebelschwaden, die im Herbst über der Beeke stehn, die Seelen der schuldig gewordenen Mönche, die hier keine Ruhe finden dürfen.
Quelle: Stadt Twistringen – Eine Heimatkunde; Auszug aus den Heimatsagen, verfasst von Bernhard Fies, Bückeburg (vormals Heiligenloh)
Noch am Anfang des letzten Jahrhunderts soll im Pfarrgarten von Heiligenloh ein halber Apfelbaum gestanden haben, der unbeschadet seiner verkrüppelten Gestalt allen Stürmen trotzte und in jedem Herbst reiche Frucht trug. Er galt den Einheimischen als sichtbares Zeichen einer wunderbaren Rettung.
Da war es nämlich schon vor Zeiten passiert, dass Menschen um ihres Glaubens willen verfolgt wurden, nachdem der Bischof von Münster das an die Grafen von Hoya verpfändete Kirchspiel Twistringen zurückerhalten hatte und nun begann, Andersgläubige durch brutale Vertreibung zu heimatlosen Flüchtlingen zu machen.
Einer von diesen Verfolgten geriet in einer Vollmondnacht an die Heiligenloher Beeke, durchwatete sie und stürzte gehetzt in den Pfarrgarten, in dem der Pastor noch einen Spaziergang unter seinen Obstbäumen machte. Es blieb aber gar keine Zeit mehr, um eine Zuflucht zu betteln; denn die Verfolger brachen auf ihren schnellen Pferden schon durch die Hecke, die das Grundstück einfriedete. Der Gehetzte taumelte in den Schatten eine Baumes, der Pastor stellte sich den Reitern in den Weg, diese verlangten in rüdem Ton die Herausgabe des Flüchtigen. "Seht in meinen Garten!" Der Pastor beschrieb mit kaum zu unterdrückendem Zittern seines Armes einen weiten Kreis: "Wo soll hier ein Versteck sein?"
"Was, Mann? Da an dem Baum, da bewegt sich doch wer!" Wütend zog einer der Reiter seinen Degen aus der Scheide, holte aus und schlug mit pfeifendem Hieb nach dem Stamm, in dessen Schatten der Flüchtling verschwunden war. Ein Span splitterte, befriedigt erzwangen die Verfolger im Pfarrhaus Bewirtung und Nachtquartier: "Morgen werden wir sehen, was von dem Kerl übrig blieb."
Bei Sonnenaufgang sah der Pastor staunend auf einen ihm fremden Apfelbaum, der stand genau an der Stelle, an der sein nächtlicher Besucher auf seiner Flucht so plötzlich untergetaucht war; allerdings: Von dem Stamm des neuen Baumes war die eine Hälfte glatt abgeschlagen. Die Knechte des Bischofs strichen kopfschüttelnd durch den Garten, drehten sich noch einige Male misstrauisch um und zogen schließlich verstummt ab.
Der Pastor hat später die Nachricht erhalten, dass der Flüchtling in jener Vollmondnacht durch den Degenhieb seines Verfolgers zwar die Hälfte seines Mantels einbüßte, sonst aber unverletzt geblieben war und sich danach endgültig in Sicherheit hat bringen können.
Quelle: Stadt Twistringen – Eine Heimatkunde; Auszug aus den Heimatsagen, verfasst von Bernhard Fies, Bückeburg (vormals Heiligenloh)